27.10.2015 13:43
Medizin-Nobelpreis für Naturstoffe: Auftrieb für die Phytomedizin
Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Artemisinin nicht nur für die Malaria-Therapie bedeutend, sondern auch vielversprechender Wirkstoff für die Krebsbehandlung
Die diesjährige Vergabe des Medizin-Nobelpreises wird in Fachkreisen
als großartige Entscheidung für die Pflanzenheilkunde angesehen. Es sei
bemerkenswert und ein großes Glück für das gesamte Feld der
Phytomedizin, dass der Naturstoff Artemisinin durch die Preisverleihung
ins Scheinwerferlicht der akademischen und der allgemeinen
Öffentlichkeit gelangt, so Univ.-Prof. Dr. Thomas Efferth von der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). „Das Nobelkomitee hat mit
seiner Entscheidung die Naturstoffe in den Fokus gerückt und damit ein
wichtiges Signal für künftige Forschungsfelder und Aufgaben gegeben“,
teilte der Mainzer Wissenschaftler mit, der selbst auf dem Gebiet
arbeitet.
Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin, so die vollständige
Bezeichnung, ging 2015 zur Hälfte an William C. Campbell und Satoshi
Ōmura für ihre Arbeiten zur Therapie von Infektionen, die durch
Fadenwürmer verursacht werden, mit einem Wirkstoff auf der Basis von
Avermectin aus Bakterienkulturen. Zur anderen Hälfte ging der Preis an
die chinesische Wissenschaftlerin Youyou Tu für ihre Entdeckungen zur
Behandlung von Malaria. Youyou Tu hatte Heilkräuter erforscht, die in
der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) seit über 2000 Jahren für
die Behandlung von Fieber und Erkältungen eingesetzt werden. Sie fand
heraus, dass Auszüge von Einjährigem Beifuß (Artemisia annua) mit seinem
Wirkstoff Artemisinin effektiv gegen Malariaerreger eingesetzt werden
können.
„Eine beträchtliche Anzahl von Arzneistoffen für die klinische Praxis
wird heute schon aus natürlichen Ressourcen gewonnen. Avermectin und
Artemisinin sind zwei wunderbare Beispiele dafür. Wir sind
zuversichtlich, dass die Nobelpreis-Vergabe zur Förderung der
Phytomedizin beiträgt und wir in Zukunft weitere Anwendungen sehen
werden“, erwartet Efferth. Er selbst forscht seit rund 20 Jahren auf
diesem Gebiet und konnte gleichzeitig mit Wissenschaftlern in den USA
und den Niederlanden Mitte der 1990er Jahre erstmals zeigen, dass
Artemisinin auch bei Krebs wirksam ist. Eine neuere Studie erfolgte in
Kooperation mit Medizinern der University of London und ergab, dass
Derivate von Artemisinin tatsächlich die Lebenszeit von Patienten mit
Darmkrebs verlängern können. „Wir haben damit den klinischen Nachweis
erbracht. Aber wir müssen Artemisia annua noch weiter entwickeln und ein
Profil erstellen, bei welchen Tumorarten die Substanz wirksam ist“, so
Efferth. Aber nicht nur bei Krebserkrankungen scheint Artemisia von
Nutzen zu sein, sondern auch bei Infektionen mit dem humanen
Cytomegalie-Virus (HCMV) und anderen Virusinfektionen sowie bei
Bilharziose.
Artemisia annua, der Einjährige Beifuß, gehört zu einer Gattung mit über
200 Arten weltweit, ist aber nicht mit dem in Mitteleuropa verbreiteten
Ackerunkraut, dem Gemeinen Beifuß (Artemisia vulgaris), zu verwechseln.
In der Pharmazeutischen Biologie in Mainz arbeitet ein internationales
Team von 20 Mitarbeitern an Heilpflanzen aus 30 Ländern zur Erforschung
von Pflanzeninhaltsstoffen gegen Krebs.
Veröffentlichung:
Sanjeev Krishna et al.
A Randomised, Double Blind, Placebo-Controlled Pilot Study of Oral Artesunate Therapy for Colorectal Cancer
EBioMedicine, January 2015, Volume 2, Issue 1, Pages 82–90
DOI: 10.1016/j.ebiom.2014.11.010
Foto:
http://www.uni-mainz.de/bilder_presse/09_pharma_artemisinin.jpg
Beifuß-Pflanze (Artemisia annua) und Formel des Inhaltsstoffs Artemisinin
Foto/©: Pharmazeutische Biologie, JGU
Weitere Informationen:
Univ.-Prof. Dr. Thomas Efferth
Pharmazeutische Biologie
Institut für Pharmazie und Biochemie – Therapeutische Lebenswissenschaften
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-25751
Fax +49 6131 39-23752
E-Mail: efferth@uni-mainz.de
http://www.pharmazie.uni-mainz.de/Ak-Efferth/103.php
Weitere Links:
http://www.pharmazie.uni-mainz.de/Ak-Efferth/
http://www.researchgate.net/publication/272926177_A_Randomised_Double_Blind_Plac…
https://www.uni-mainz.de/presse/46407.php (Pressemitteilung „Mainzer Wissenschaftler Thomas Efferth erhält CESAR-Preis für translationale Krebsforschung 2011“)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch